Wolf Achim Tönnes

Der Anwendungsrahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens

8. November 2023

Vereinfachtes Ertragswertverfahren vs. IDW S 1

In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ob an die Stelle einer (vermeintlich) komplizierten Unternehmensbewertung nach IDW S 1 die Bewertung auch nach dem „vereinfachten Ertragswertverfahren“ der §§ 199 ff BewG erfolgen kann. Dieses Verfahren ermittelt den Wert eines Unternehmens nach dem Durchschnittsertrag der vergangenen drei Jahre vor dem Bewertungszeitpunkt, korrigiert diesen Wert um bestimmte, in § 202 BewG abschließend aufgeführte Sonderfaktoren und multipliziert das Ergebnis mit einem Kapitalisierungsfaktor von – derzeit – 13,75. Dieser Rückgriff auf feststehende Ergebnisse der Vergangenheit vermeidet das mit dem Verfahren nach IDW S 1 – und anderen gängigen ertragswertbasierten Verfahren – innewohnende Problem, künftige wirtschaftliche Erträge schätzen zu müssen und ist damit – was die Datenbasis anbelangt – einfacher, schneller und weniger streitanfällig.

Es liegt auf der Hand, dass die beiden Verfahren nur in Ausnahmefällen zu gleichen Ergebnissen führen. Hat ein Unternehmen z.B. in der Vergangenheit schlechtere Ergebnisse erzielt und erwartet bessere Ergebnisse für die Zukunft, so wird eine Bewertung nach § 199 ff BewG zu einem niedrigeren Unternehmenswert führen als die Bewertung nach IDW S 1 (und umgekehrt). Fraglich ist auch, ob ein Diskontierungszinssatz von rd. 7,3 %, der dem gesetzlich vorgegebenen Kapitalisierungsfaktor von 13,75 entspricht, eine der Kapitalmarktsituation angemessene Verzinsung abbildet.

Der (Steuer-) Gesetzgeber hat das vereinfachte Ertragswertverfahren tatsächlich als „vereinfachte Bewertung“ konzipiert. § 199 Abs. 1 BewG enthält insoweit ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, dieses Verfahren anzuwenden, „wenn es nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt“, ohne allerdings anzugeben, wann dies der Fall sein könnte. Aus dieser Aussage lässt sich aber einerseits herleiten, dass der Gesetzgeber wohl die auf zukünftige Erträge abstellende Bewertungsverfahren als solche ansieht, die zu „zutreffenden Ergebnissen“ führen, da ansonsten ja die Frage eines „unzutreffenden Ergebnisses“ nicht im Raum stünde. Andererseits kann angesichts der schon aus methodischen Gründen abweichenden Ergebnisse nicht jede Abweichung zu einem Ausschluss des vereinfachten Bewertungsverfahrens führen.

Anwendungsfälle aus der Sicht der Finanzverwaltung

Der (Steuer-) Gesetzgeber hat das vereinfachte Ertragswertverfahren tatsächlich als „vereinfachte Bewertung“ konzipiert. § 199 Abs. 1 BewG enthält insoweit ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, dieses Verfahren anzuwenden, „wenn es nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt“, ohne allerdings anzugeben, wann dies der Fall sein könnte. Aus dieser Aussage lässt sich aber einerseits herleiten, dass der Gesetzgeber wohl die auf zukünftige Erträge abstellende Bewertungsverfahren als solche ansieht, die zu „zutreffenden Ergebnissen“ führen, da ansonsten ja die Frage eines „unzutreffenden Ergebnisses“ nicht im Raum stünde. Andererseits kann angesichts der schon aus methodischen Gründen abweichenden Ergebnisse nicht jede Abweichung zu einem Ausschluss des vereinfachten Bewertungsverfahrens führen.

Die Finanzverwaltung geht daher in folgenden Fallgruppen von „begründeten Zweifeln“ an „zutreffenden Ergebnissen“ an der Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens aus:

  • Fälle, in denen noch keine ausreichenden Ergebnisse aus der Vergangenheit vorliegen: z.B. Neugründungen;
  • Fälle, in denen die Vergangenheitsergebnisse schon aus strukturellen Gründen keine Rückschlüsse auf die Zukunft zulassen: Wachstumsunternehmen, branchenbezogene oder allgemeine Krisensituationen oder zum Bewertungszeit absehbare Änderungen der wirtschaftlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen des Unternehmens;
  • Fälle, in denen sich aus Verkäufen unter fremden Dritten vor oder zeitnah zum Bewertungsstichtag andere Unternehmenswerte ergeben. Das gleiche gilt für Erbauseinandersetzungen, bei denen die Verteilung der Erbmasse Rückschlüsse auf einen anderen Wert zulässt.

Nicht recht nachvollziehbar ist, warum Zweifel auch bei „Vorliegen komplexer Strukturen von verbundenen Unternehmen“ gegeben sein sollen (insbesondere weil auch der Begriff der „komplexen Struktur“ nicht definiert wird und Auslegungsspielräume bietet) oder in grenzüberschreitenden Sachverhalten, wenn der jeweils andere Staat die Ergebnisse der vereinfachten Bewertung nicht anerkennt. Eher selten dürfen Fälle sein, in denen branchentypisch Bewertungen grundsätzlich nicht nach Ertragswertverfahren durchgeführt werden; hier will die Finanzverwaltung auch das vereinfachte Ertragswertverfahren ausschließen.

Wahlrecht des Steuerpflichtigen

Obwohl dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zum vereinfachten Ertragswertverfahren zusteht, ist der Nachweis eines „unzutreffenden Ergebnisses“ – und damit die Sperrung dieses Verfahrens – nicht vollständig Aufgabe der Finanzverwaltung (z.B anlässlich von Betriebsprüfungen). Vielmehr reicht es aus, dass vorhandene Zweifel an der Qualität der Bewertung geltend gemacht und substantiiert begründet werden; es ist dann Sache des Steuerpflichtigen diese Zweifel auszuräumen und umgekehrt substantiiert darlegen, warum das vereinfachte Ertragswertverfahren nicht zu einem offensichtlichen unzutreffenden Ergebnis führt. Dies bedeutet nicht unbedingt die Vorlage eines neuen Bewertungsgutachtens – z.B. nach IDW S 1 -; möglich ist auch, dass den Bedenken durch eine Anpassung des Durchschnittsertrages Rechnung getragen wird.

Steht z.B. zum Bewertungsstichtag fest, dass der künftige Jahresertrag durch bekannte objektive Umstände, z.B. wegen des Todes des Unternehmers, sich nachhaltig verändert, kann dies durch eine Anpassung der Erträge entsprechend berücksichtigt werden. Das gleiche gilt für Folgen eines Rechtsformwechsels, wenn z.B.: bei einem Wechsel in eine GmbH der Unternehmerlohn zu Betriebsausgaben (Gehalt) wird.

Eine bloße Abweichung der Ergebnisse beider Verfahren ist dagegen – wie gesagt – in der Systematik der Verfahren angelegt und führt nicht ohne weiteres zum Ausschluss des „vereinfachten Ertragswertverfahrens.“

Ihr Ansprechpartner:

Wolf Achim Toennes Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwalt

Diplom-Kaufmann

Wolf Achim Tönnes

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