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Wolf Achim Toennes Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwalt

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Wolf Achim Tönnes

Bewertung von Start-up Unternehmen

5. September 2022

Was sind Start-ups?

Wie der Name schon sagt, sind Start-ups junge, kürzlich gegründete Unternehmen. Sie sind gekennzeichnet durch hoch innovative Produkte/Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und/oder Technologien und haben darüber hinaus das Ziel, stark zu wachsen und einen hohen Wert zu erreichen. Oftmals ist explizit der Verkauf des Unternehmens oder das Zusammengehen mit anderen Unternehmen bei Erreichen dieser Ziele bereits fest vorgesehen (“Exit”).

Geht man nach Branchen, so werden die meisten Start-ups in der Informations- und Kommunikationstechnologie gegründet; auch bei Gründung in anderen Branchen steht Technologie- und Softwareentwicklung sowie angewandte IT bei weitem im Vordergrund. Kennzeichnend sind die mit den Geschäftsmodellen verbundenen höheren Risiken. Es kann davon ausgegangen werden, dass 5 Jahre nach der Gründung nur noch zwischen 55 und 65 % der Unternehmen am Markt tätig sind.

Das wirtschaftliche Leben eines Start-up durchläuft üblicherweise mehrere Entwicklungsphasen:

  • Seed stage: Konzeptentwicklung, noch kein Umsatz / keine Nutzer
  • Start-up stage: Fertigstellung eines marktreifen Angebotes, erste Umsätze und/oder Nutzer
  • Growth stage: starkes Umsatz-und/oder Nutzerwachstum
  • Later stage: etablierter Marktteilnehmer, Verkauf oder Börsengang ist erfolgt oder steht unmittelbar bevor
  • Steady stage: Stagnation des Start-ups, kein starkes Umsatz-und/oder Nutzerwachstum

Der Hype um das Thema “Start-up” hat sich etwas gelegt. Dies mag daran liegen, dass gerade aktuell wirtschaftliche Probleme in den Vordergrund rücken werden, die für ein Gründungsklima nicht gerade förderlich sind. Aber auch langfristig ist die Gründerquote von rund 3,0 Gründungen je 10.000 Menschen um die Jahrtausendwende auf aktuell rund 1,2 zurückgegangen. Gleichwohl finden Unternehmensgründungen weiterhin statt, sodass es sich lohnt, einen Blick auf die Besonderheiten der Bewertung solcher Unternehmen zu werfen. Im Vordergrund stehen dabei Bewertungen in den ersten drei Lebensphasen, da sich im weiteren Verlauf die Bewertung mehr und mehr an die „klassische“ Unternehmensbewertung angleicht.

Wo ist das Bewertungsproblem?

Die Probleme bei der Bewertung von Start-ups zeigen sich beim Vergleich mit der klassischen Unternehmensbewertung:

  • Üblicherweise arbeitet die Unternehmensbewertung mit den zukünftig zu erwartenden Erträgen, die aus den Ist-Werten der Vergangenheit abgeleitet werden. Bei Start-ups stehen historische Daten in der Regel nicht zur Verfügung, sodass die Unternehmensplanungen nicht anhand der Vergangenheitsergebnisse plausibilisiert werden können – abgesehen davon, dass das Unternehmenscharakteristikum “starkes Wachstum” solche vergangenheitsbasierte Analysen ohnehin erschwert.
  • Die künftig zu erwartenden Erträge (Business-Pläne) beruhen weitgehend auf Annahmen und sind mit hohen Unsicherheiten behaftet. Die Märkte für die Produkte müssen häufig noch geschaffen werden; es fehlen Vergleichsunternehmen, deren Entwicklung für die Unternehmensplanung herangezogen werden könnte.
  • Das Marktpotenzial – also der Zeitraum in dem das Unternehmen starkes Wachstum generieren kann – muss abgeschätzt werden. Dabei muss auch die Reaktion möglicher Wettbewerber beachtet werden, die an profitablen Märkten ebenfalls partizipieren wollen (“Marktzutrittsbarrieren”).
  • Letztendlich müssen die ermittelten zukünftigen Erträge angemessen diskontiert werden. Dabei spielt die Überlebenswahrscheinlichkeit des Unternehmens (“Insolvenzrisiko”) eine beachtliche Rolle – und zwar nicht nur grundsätzlich, sondern auch in Abhängigkeit von der Lebensphase, in der das Unternehmen sich zum Zeitpunkt der Bewertung befindet. Es liegt auf der Hand, dass das Risiko im seed stage ein höheres ist als im later oder steady stage.

 Wie wird das Bewertungsproblem gelöst?

Es verwundert nicht, dass sich angesichts dieser Besonderheiten in der Praxis eine Vielzahl von Methoden zur Bewertung – in Abhängigkeit der Lebensphase des Unternehmens – herausgebildet haben.

Die erste Gruppe dieser Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die Bewertung mehr oder weniger deutlich anhand von Vergleichsunternehmen vornimmt. Dies ist z.B. der Fall bei der Heranziehung eigener Erfahrung oder der Verwendung von Multiplikatoren, die aus Verkäufen / Börsengängen (“trading multiples”) oder aus oder aus Branchen („industry multiples”) abgeleitet werden, wobei als Basis für die Multiplikatoren regelmäßig Umsätze oder Ergebniswerte wie EBIT und EBITDA verwendet werden. In diese Kategorie gehört auch die Bewertung des Unternehmens anhand vergleichbarer Finanzierungsrunden anderer Unternehmen der gleichen Branche oder der gleichen Phase im Lebenszyklus. Diese Verfahren sind jedoch vorsichtig zu beurteilen. Zum einen zeichnen sich gerade Start-up-Unternehmen dadurch aus, dass sie nur schwer untereinander und mit reifen Unternehmen vergleichbar sind. Zum anderen sind Bewertungen anhand von “Erfahrungen” selten operational und intersubjektiv nachprüfbar.

Gut sichtbar ist auch, dass die zweite Gruppe – “klassischen” DCF- Bewertungsverfahren –  in den ersten Phasen des Lebenszyklus eines Start-up nur eine untergeordnete Rolle spielt und erst später zum Tragen kommt, wenn das Unternehmen bereits eine “Historie” entwickelt hat und die Produkt- und Marktaussichten zuverlässiger eingeschätzt werden können.

Die Nachteile der Bewertungsverfahren der ersten Gruppe versuchen Verfahren der dritten Gruppe zu vermeiden. Diese entwickeln Unternehmenswerte anhand von nachprüfbar offengelegten Algorithmen bezogen allein auf das zu bewertende Unternehmen.

Die “Venture Capital – Methode” führt zunächst eine Bewertung des Unternehmens durch, wie sie sich im „steady state“ voraussichtlich ergeben wird. Zu diesem Zeitpunkt hat das Unternehmen die besonderen Merkmale eines Start-ups weitgehend verloren; aus der Sicht der Start-up-Investoren ist dies auch der Zeitpunkt, in dem üblicherweise die Engagements durch Veräußerung oder Börsengänge beendet werden. Dieser Unternehmenswert entspricht daher häufig dem “Exit-Preis”. Diese “Exit-Bewertung” erfolgt nach klassischen Verfahren.

Ausgehend von dem Exit-Preis wird der Unternehmenswert für vorhergehende Perioden durch Diskontierung ermittelt, wobei der Diskontierungssatz von der gewünschten Rendite der Investoren abhängt. Die nachfolgende Darstellung verdeutlicht das Vorgehen für den Fall eines einzelnen Investors:

I.d.R. durchläuft ein Start-up mehrere Finanzierungsrunden, wobei die Renditeerwartung der Investoren umso höher ist, je früher das Stadium, in dem investiert wird. In diesem Fall muss die Diskontierung mehrstufig für jede Finanzierungsrunde erfolgen, was jedoch im Rahmen der VC-Methode problemlos darstellbar ist.

Die VC-Methode verschiebt damit das Prognoseproblem auf den Exit-Zeitpunkt. Dies ist hinnehmbar, weil das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt besser mit bereits etablierten Unternehmen vergleichbar ist und für die von dort ausgehende Bewertung etablierte Verfahren zur Verfügung stehen. Das Problem besteht aber in der Festlegung des Exit-Zeitpunkts (3, 5, 10 Jahre …?). Ferner zu beachten ist die Modellierung des Entwicklungspfades bis zu diesem Zeitpunkt; es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens bis dahin stets linear verläuft.

Den unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten des Start-up bis zum Exit-Zeitpunkt trägt der Realoptions-Ansatz Rechnung. Hintergrund ist der Gedanke, dass ein Unternehmen umso wertvoller ist, je mehr Möglichkeiten (Optionen) es hat, sich im Laufe der Zeit ergebende Chancen wahrzunehmen bzw. Risiken zu vermeiden oder zu vermindern. Demzufolge setzt sich der Wert des Unternehmens zusammen aus dem Wert, der sich bei der wahrscheinlichsten Entwicklung ergibt, zuzüglich der Mehrwerte der verschiedenen Handlungsoptionen.

 

Hinzuweisen ist darauf, dass auch die “scale down” Optionen stets positive Wertbeiträge haben, da sie verglichen werden mit dem negativen Wertbeitrag, der sich ohne die Option ergeben würde. So führt zum Beispiel das Unterlassen von Investitionen in t1 deswegen zu einem positiven Wertbeitrag, weil die Durchführung dieser Investition unter den gegebenen Bedingungen nicht rentabel wäre und den Wert des Unternehmens sinken lassen würde.

Das Problem dieser Methode liegt in den Schwierigkeiten, die Realoptionen und deren Wertbeiträge jeweils widerspruchs- und überschneidungsfrei zu ermitteln. In der Praxis ist es nämlich in der Regel nicht so, dass alle Optionen gleich wahrscheinlich zur Verfügung stehen. Darüber hinaus hängen sie häufig auch jeweils voneinander ab, sodass bei Ausübung einer Option einige andere Optionen nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies ist in dem Modell zu berücksichtigen.

Wenn ein Startup mehrere Finanzierungsrunden durchläuft, liegt es nahe, den aktuellen Unternehmenswert aus den bei vorangegangenen Finanzierungsrunden ermittelten Werten abzuleiten. Allerdings kann der aus diesen Finanzierungsrunden ermittelte Wert eines neuen Anteils nicht ohne weiteres für die Werte der neuen Finanzierungsrunde verwendet werden. Dies liegt zum einen daran, dass – wie oben erwähnt – das implizite Risiko des Unternehmens im Laufe der Zeit sinkt, weil das zugrunde liegende Geschäftsmodell zunehmend am Markt verifiziert wird. Zum anderen behalten sich die Teilnehmer der vorausgehenden Finanzierungsrunden oftmals Sonderrechte vor, wie z.B. Liquidationspräferenzen, bevorzugte Abfindung im Falle des Verkaufs, Vorzugsdividenden, Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals usw. Im Ergebnis steigt der Wert der Anteile aus nachgelagerten Finanzierungen daher nicht linear mit dem Unternehmenswert, sondern hängt zusätzlich davon ab, welcher Anteil des zusätzlichen Wertes auf die jeweils vorgelagerten Finanzierungen entfällt. Die Entwicklung des Unternehmenswertes weist dann „Knickpunkte” (“Strikes”) auf:

Die Methode des adjustierten letzten Investments beschreibt den Unternehmenswert als Summe mehrerer Optionen, die hintereinander gelegt genau diesen Wertverlauf abbilden. Diese Optionen können einzeln nach den einschlägigen Optionsmodellen (z.B. „Black Scholes“) bewertet werden und bilden in ihrer Gesamtheit den Unternehmenswert ab. Dabei kann sowohl der Unternehmenswert aus den (feststehenden) Anteilspreisen der einzelnen Finanzierungsrunden wie auch umgekehrt der Anteilspreis aus dem angenommenen feststehenden Unternehmenswert abgeleitet werden. Der jeweils zu ermittelnde Wert (Anteilspreise oder Unternehmenswert) hängt neben dem feststehenden Wert von dessen Volatilität, den Strike Prices, dem sicheren Basiszins und dem angenommenen Exit-Zeitpunkt ab.

Was folgt daraus?

Für die Bewertung von Start-up-Unternehmen kann auf eine Vielzahl von Methoden zurückgegriffen werden. Anders als bei der klassischen Unternehmensbewertung wird diese Methodenvielfalt auch angewendet – und zwar umso häufiger, je früher der Entwicklungsstand des Unternehmens ist und je weniger gesicherte Daten zur Verfügung stehen. Aufgabe des Bewertenden ist es daher auch, die jeweils geeignete Bewertungsmethode zu identifizieren und konsequent umzusetzen. Der mit der Anwendung jeweils verbundene Kostenaufwand, der in Relation zur Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses gesetzt werden muss, sollte dabei jedoch nicht außer Betracht gelassen werden.

Gerne beraten wir Sie zu Ihren persönlichen Fragen.
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