Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wurde in 2024 nicht in deutsches Recht umgesetzt. Dafür gibt es politische Initiativen zur Reduzierung und Verschiebung von Berichtspflichten. Beides zusammen führt zu viel Unsicherheit für mittelständische Unternehmen.
Immer noch in Kraft: das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Bereits im vergangenen Sommer gab es große politische Diskussionen um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Die Initiativen reichten von der unveränderten Beibehaltung, über eine deutliche Änderung bis zur vollständigen Aufhebung des Gesetzes. Im Rahmen ihrer „Wachstumsinitiative“ hat die Bundesregierung Entlastungen der Unternehmen im Bereich der Lieferkettenregulierung angekündigt, die im Regierungsentwurf zur Umsetzung der CSRD in deutsches Recht bereits erkennbar waren. Die Berichtspflicht nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz soll entfallen, wenn ein Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht entsprechend der CSRD und der ESRS (freiwillig) erstellt und dieser geprüft wird. Fakt ist: Stand jetzt ist das Gesetz in unveränderter Form in Kraft. Unternehmen im Anwendungsbereich müssen die Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette erfüllen. Nur für die Berichterstattung gibt es mehr Aufschub.
Noch immer nicht in Kraft: Die CSRD in Deutschland
Die CSRD ist eine Richtlinie der Europäischen Union („CSRD-Richtlinie“) und ist durch die Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen. Hierbei legt die CSRD-Richtlinie Mindestinhalte zur Umsetzung fest, über die die nationalen Gesetzgeber hinaus gehen können, sowie Mitgliedsstaatenwahlrechte, deren Ausübung ebenso den nationalen Gesetzgebern obliegt. Die Frist zur Umsetzung der CSRD in deutsches Recht endete am 6. Juli 2024. Da die Umsetzung in nationales Recht nicht bis zum 6. Juli 2024 erfolgt ist, wurde im Herbst 2024 bereits ein Vertragsverletzungsverfahren durch die Europäische Kommission eingeleitet. Dann zerbrach die Ampel-Koalition und eine Gesetzesumsetzung in 2024 blieb aus mit der Folge von Rechtsunsicherheit bei betroffenen Unternehmen.
Auswirkungen der nicht in 2024 erfolgten Umsetzung der CSRD in deutsches Recht
Im Anwendungsbereich der CSRD bezogen auf mittelständische Industrie- und Handelsunternehmen in Deutschland sind große Kapitalgesellschaften sowie großen Kapitalgesellschaften gleichgestellte Personengesellschaften. Für die Größenklassifizierung gelten gemäß Regierungsentwurf zur Umsetzung der CSRD die Merkmale des § 267 HGB n.F., die zuletzt um 25% angehoben wurden. Demnach sind große Unternehmen solche, die mindestens zwei der drei nachfolgenden Merkmale an zwei aufeinander folgenden Bilanzstichtagen überschreiten: 25 Mio. EUR Bilanzsumme, 50 Mio. EUR Umsatzerlöse und 250 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. Große Kapitalgesellschaften sowie große (Kapitalgesellschaften gleichgestellte) Personengesellschaften sind erstmals für ab dem 1. Januar 2025 beginnende Geschäftsjahre zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Demnach sind ab dem 1. Januar 2025 Informationen und Daten zu Nachhaltigkeitsaspekten zu erheben, aufzubereiten, zu konsolidieren und zu verifizieren. Was aber gilt, wenn das Gesetz hierfür noch nicht in Kraft ist? Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat ein juristisches Gutachten in Auftrag gegeben, mit dem Ergebnis, dass eine rückwirkende Anwendung der CSRD-Vorgaben auf laufende Geschäftsjahre (unechte Rückwirkung) „verhältnismäßig und verfassungskonform“ sei. Dies bedeutet, dass bei der zu erwartenden Umsetzung der CSRD in nationales Recht im Jahr 2025, die nach der Richtlinie erstmals für das Geschäftsjahr 2025 berichtspflichtigen Unternehmen richtlinienkonform zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind.
Ein Omnibus ohne Fahrplan
Nach dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs mit der Europäischen Kommission in Budapest kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 8. November 2024 an, dass bestimmte ESG-Berichtspflichten bestehend aus der CSRD, der EU-Taxonomie und der europäischen Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive; CSDDD) von der EU in einer „Omnibus“-Verordnung zusammengefasst werden sollen. Überlappende oder redundante Berichterstattungspflichten aus den Regelungen sollen konsolidiert und damit die Berichts- und Meldepflichten um mindestens 25% reduziert werden. Eine vollständige Abkehr vom Green Deal und der Nachhaltigkeitsberichterstattung für große Unternehmen ist hingegen nicht zu erwarten. Dennoch ist die Verwirrung groß, da konkrete Inhalte und Zeitpläne unklar blieben.
Eine Bundesregierung im Wahlkampf
Ende Dezember 2024 kursierte ein Schreiben der Bundesregierung an die EU-Kommission, unterzeichnet von vier Bundesministern, im Internet. Die deutsche Bundesregierung kritisiert, dass mehr als 1.000 Datenpunkte der ESRS, „unnötig komplex und belastend insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)“ sind und fordert eine deutliche Vereinfachung und gar eine Verschiebung der CSRD-Berichtspflichten für große Unternehmen um zwei Jahre, auf das Geschäftsjahr 2027. Des Weiteren sollen die Schwellenwerte für „große Unternehmen“ (z. B. Umsatz und Mitarbeiterzahl) erhöht werden, um den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen zu verringern. Und nicht zuletzt wird vorgeschlagen, dass für KMU die weniger umfangreiche und komplexe ESRS „light“ (LSME / VSME) die umfangreicheren ESRS ersetzen sollen. Anfang Januar 2025 legte Bundeskanzler Olaf Scholz nach. In einem veröffentlichten Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftig der Bundeskanzler auch seine Unterstützung für das Omnibus-Verfahren und fordert eine Verschiebung der Berichtspflichten aus den ESRS um zwei Jahre, da „der Mehrwert der Richtlinie in keinem Verhältnis zum bürokratischen Aufwand für die Unternehmen“ steht. All diese Erkenntnisse kommen mehr als ein Jahr nach Verabschiedung der ESRS als delegierter Rechtsakt am 31. Juli 2023 und aller Kritik und Hilferufe aus der Industrie seither. Ein Schelm wer hier Wahlkampfmotive vermutet…
Fazit
Es werden politische Signale gesendet, die mittelständische Unternehmen dazu bewegen könnten, Projekte zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zu verschieben oder gar zu pausieren. Meine persönliche Einschätzung: die Bedeutung von ESG-Daten und -Informationen wird weiter zunehmen, eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist unabdingbar zur Identifizierung wesentlicher ESG-Themen und die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte wird kommen – vielleicht in geringerem Umfang, vielleicht sogar später. Vielleicht aber auch versanden die weitgehenden Forderungen der deutschen Bundesregierung im Wahlkampf oder stoßen auf den Widerstand von Mitgliedstaaten, die die CSRD bereits fristgerecht in nationales Recht umgesetzt haben. Daher: bleiben Sie bei Ihrem Fahrplan zu Ihrem Nachhaltigkeitsbericht.
Autor:
Niels Morgenstern, Partner, Wirtschaftsprüfer Steuerberater Sustainability Auditor (IDW)
HLB Schumacher GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft
Januar 2025
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