Aydin Celik

Synergieeffekte in der Unternehmensbewertung

13. September 2022

Unternehmerinnen und Unternehmer sind laufend bestrebt, den Wert ihrer Gesellschaft zu steigern. Dies kann unter anderem durch die Identifikation und das Heben von Synergiepotentialen erfolgen. Bei Unternehmenszusammenschlüssen stellen sie nicht selten den wesentlichen Treiber für die Transaktion dar. Neben der Identifikation ist für Zwecke der Unternehmensbewertung auch die Synergiebewertung von Relevanz.

In der aktuellen Fassung des Bewertungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW S 1) werden Synergieeffekte unterteilt in echte und unechte Synergien. Unechte Synergien sind Synergien, die ohne die Durchführung der dem konkreten Bewertungsanlass zugrunde liegenden Maßnahme und durch Kooperation des zu bewertenden Unternehmens mit einer Vielzahl nahezu beliebiger Partner realisiert werden können. Hierunter werden bspw. die Ausnutzung von Größen-/Mengeneffekten, ein verbessertes Cash-Management oder Kostenreduktionen durch die Zusammenlegung von Unternehmensteilen (Rechnungswesen, IT, etc.) gefasst. Echte Synergien hingegen können ausschließlich durch Kooperation bestimmter Unternehmen realisiert werden und sind damit abhängig von subjektiven Faktoren der beteiligten Transaktionsparteien und können nicht im Rahmen einer „stand-alone“ Bewertung („wie das Unternehmen steht und liegt“) realisiert werden. Unter echte Synergieeffekte werden bspw. ein spezifischer Know-how-Transfer, Bündelung der Forschungs- und Entwicklungspotentiale oder die Ergänzung der jeweiligen Produktportfolios der Unternehmen gefasst.

Im IDW S 1 ist das Konzept des sog. objektivierten Unternehmenswertes verankert. Dieses Konzept kommt bei Bewertungsanlässen zur Anwendung, in denen der Bewertende in der Funktion eines neutralen Gutachters auftritt, also bspw. im Rahmen der Ermittlung einer angemessenen Abfindung im Zusammenhang mit Squeeze Out Verfahren. Der objektivierte Unternehmenswert wird in der Praxis aber oftmals auch als Referenzwert für einen „fairen Marktwert“ herangezogen. Dass dies möglicherweise zu einer unsachgerechten Entscheidungsbasis führt, wird unter anderem bei Betrachtung der unterschiedlichen Berücksichtigung von echten und unechten Synergieeffekten im objektivierten Unternehmenswert des IDW S 1 in seiner aktuellen Fassung erkennbar.

Nach bisheriger Auffassung dürfen echte Synergieeffekte bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte nicht berücksichtigt werden, da sie auf subjektiven Faktoren beruhen, welche definitionsgemäß nicht in einen objektivierten Unternehmenswert gehören. Zudem würde die Berücksichtigung echter Synergieeffekte mit der Wurzeltheorie kollidieren, nach welcher bei Unternehmensbewertungen künftige Entwicklungen lediglich dann berücksichtigt werden dürfen, wenn sie ihre Wurzeln bereits zum Bewertungsstichtag haben. Anders als die echten Synergieeffekte werden unechte Synergieeffekte bei der Ermittlung objektivierter Unternehmenswerte berücksichtigt – aber nur dann, wenn die zur Hebung der Synergien notwendigen Maßnahmen bereits eingeleitet oder im bestehenden Unternehmenskonzept zumindest dokumentiert sind.

Abbildung 1

Bei dieser Ermittlungsweise ist der objektivierte Unternehmenswert stets gleich oder niedriger als der geringste Wert, zu dem ein Gesellschafter noch bereit ist, sein Unternehmen zu verkaufen („subjektiver Verkäufergrenzpreis“), da er im günstigsten Fall nur die unechten, nicht aber die echten Synergien enthält. Wenn der objektivierte Unternehmenswert aber auch einen fairen Marktwert abbilden und damit als Orientierungspunkt für angemessene Kaufpreise dienen soll, müsste er oberhalb eines subjektiven Verkäufergrenzpreises liegen, da Kaufpreise typischerweise im sog. Einigungsbereich liegen, der durch subjektive Wertvorstellungen von Käufer und Verkäufer aufgespannt wird. Abbildung 1 verdeutlicht die Zusammenhänge.

Aus den dargestellten Gründen wird auch von Mitgliedern des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) des IDW aktuell angeregt, die Berücksichtigung von Synergieeffekten im Rahmen von objektivierten Unternehmenswerten anzupassen und die diesbezüglichen Regelungen des IDW S 1 im aktuell laufenden Neufassungsprozess entsprechend zu ändern. Ihrer Auffassung nach müssten bei objektivierten Bewertungen, die ein gewisses Marktideal darstellen sollen, alle Synergien modelliert werden; schließlich würden in der Praxis am Markt hierfür Preise gezahlt.

Es wird deswegen vorgeschlagen, die Berücksichtigung von Synergieeffekten nicht an der Unterscheidung zwischen echten und unechten Synergien festzumachen, sondern lediglich davon, ob und wieweit bestimmte Synergien am Markt realisierbar sind. Im Vergleich zum aktuellen Konzept des objektivierten Unternehmenswertes stellt sich damit die Frage nach einer möglichst nachvollziehbaren („objektivierten“) Verteilung von Synergien auf Käufer und Verkäufer. In der Praxis ist dies Ergebnis eines Verhandlungsprozesses: gelingt es dem Verkäufer, sich auch echte Synergien bezahlen zu lassen, die sich erst nach Durchführung der Transaktion und nur mit dem konkreten Käufer realisieren lassen? Im Bewertungsprozess soll dieses Ergebnis durch theoretische Modelle und zu entwickelnde Heuristiken abgebildet werden. Für die Bewertenden bedeutet dies, dass nicht nur eine Analyse und ein Verständnis des zu bewertenden Unternehmens notwendig ist, sondern auch seine Situation im Wettbewerbsumfeld und seine strategischen Optionen untersucht werden müssen (tiefer als dies ohnehin bereits notwendig ist). Während bei der Betrachtung ausschließlich zweier Transaktionspartner noch relativ einfache Verteilungsrelationen festgelegt werden könnten (etwa 50:50 oder 100:0, abhängig von den konkreten Synergien und den Gegebenheiten des Einzelfalls), erschwert sich die Verteilung ungemein, wenn für einen oder für beide Transaktionspartner alternative Kooperationspartner bestehen, mit denen die in Rede stehenden Synergien gehoben werden könnten. In derartigen Situationen wäre nicht nur zu untersuchen, wie viele und welche Alternativen für das Gegenüber bestehen, sondern auch zu beurteilen, welchen Wert das Gegenüber aus einer Alternativtransaktion mit allen anderen ihm zur Verfügung stehenden strategischen Optionen ziehen könnte.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Anpassungen am Konzept des objektivierten Unternehmenswertes notwendig sind, sofern dieser dem Anspruch eines „fairen Marktwertes“ genügen soll. Mit der Forderung nach der Berücksichtigung von Synergieeffekten entsprechend ihrer subjektbezogenen Realisierbarkeit am Markt ergeben sich in der Praxis jedoch zahlreiche Beurteilungsfragen, die vermutlich zu einer höheren theoretischen Komplexität und einem höheren praktischen Aufwand in  Unternehmensbewertungsprozessen führen werden. Ob und wie der FAUB die Berücksichtigung von Synergieeffekten tatsächlich in der Neufassung des IDW S 1 umsetzen wird, bleibt abzuwarten.

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